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Jagertee - eine Verteidigung

„Die Kinder schlafen fest. Ach, wenn ich doch auch...“, dachte sich Eric, als er an Jürgen K.´s Haustür klingelte. Es dauerte eine gefühlte Halbzeit bis sie sich öffnete und ein schwerer Geruch ihn augenblicklich von den Gedanken an seine Familie wegriss. Offensichtlich hatte DJ Jogel tags zuvor seinen Gedanken freien Lauf gelassen und wählte dann jenen aus, der ihm am Vernünftigsten erschien: Kumpels einladen und saufen. Klar, die Fahrt ist langweilig und am Steuer sitzen anstrengend. Warum also nicht aus der Not eine Tugend machen? Die Stimmung war gut, aber Eric drängte zur Abfahrt. Er war nüchtern. Jürgen und seine Freund waren fassungslos. „ Wie? Nix gsoffa, Eric? Netamol a Sixpack?“ Das wollten sie ändern, aber Eric blieb standhaft. Guter Junge! Endlich konnte es losgehen. Aber der Busmotor wimmerte nur, statt zu zünden. Eric hielt es anscheinend für eine gute Idee Licht, Radio und Navi angeschaltet zu lassen. Die Batterie war leer. Also rückwärts den Berg runter und anschieben. Das Autoradio funktionierte auch nicht, aber Kö rettete die Situation. Solche Mc-Gyver-Typen braucht die AH. Jetzt muss er nur noch einsehen, dass seine sportliche Zukunft bei uns liegt. Werde Mitglied Kö! Werde Mitglied und fett. Währenddessen saßen Admir, Uwe und Häfner im Wir-müssen-am-Montag-arbeiten-Auto. Admir fuhr, Uwe wies den Weg, Häfner hatte Mundgeruch.


Nach mehreren Stunden Fahrt die traditionelle Pause am Rasthof Hochfelln. Übermüdet und blass saßen die AH-ler nun am Tisch und starrten in die Leere, jeder auf seine Art ein Ausbund an Hässlichkeit. Allen voran Häfner, dessen übles Aussehen jetzt gut mit seinem Atem harmonierte. Als unvermittelt Rama mit einem Karton Häkelmützen auftauchte, wurde das Hackfressenensemble lebhaft. Es handelte sich um ein eingelöstes Versprechen des diesmal verhinderten Jochen I. Er war es, der sage und schreibe 15 Mützen gehäkelt hatte und damit bewies, dass ihm ein stereotyp männliches Image nicht wichtig ist. Jetzt gab es Gelächter, Grimassenschneiden und Fotos. Und dann hockten sie wieder einfach nur da mit diesen Dingern auf dem Kopf. Toll, ein Haufen Gesichtseimer mit Mützen.

Samstag gegen 11 Uhr die erste Rast auf der Alm. Sofort machte die AH klar, dass sie nicht gewillt war, den Vorwurf der Zeitverschwendung auf sich zu ziehen. Beispiel Udo H.: Mit hängenden Lidern, unsauberer Aussprache und dem Teint einer Wasserleiche wurde er zum Markenbotschafter des FCÖ und bewies, dass man für sein Geld als weibliche Bedienung hart arbeiten muss. Alle waren stolz auf ihn. Dann zeigte Pfiff, was er von einer ausgewogenen Ernährung hält. Er bestellte Bratkartoffeln für drei, jawohl drei Personen. Zwar war geplant, dass zwei andere Jungs mitessen, aber Pfiff stocherte ihnen mehrfach ihren Happen von der Gabel. War es das? Zum Nachtisch gab es eine Dreierportion Käsespätzle. Nein, das ist nicht erfunden.

Vor der letzten Abfahrt sollte Häfner jagerteeentjungfert werden. Er war gespannt: Jagertee! Jedem, der das Wort aussprach, entgleisten die Gesichtszüge. Überall nur Abscheu und Ekel. Jagertee gilt als der Saft ausgepresster Hämoriden. Einzig Bernd strahlte, wenn das Gespräch darauf fiel. Dann der erste Schluck, Häfner verstand sofort: Das Problem war nicht der Jagertee. Das Problem war eine kollektive Wahrnehmungsstörung. Ein Göttertrank! Es sagt viel über diesen Menschen aus, dass ihm dieses Gesöff schmeckte, und es ist nichts Gutes. Vollends unmöglich machte er sich, als er die Runde unter Androhung einer schweißnassen Umarmung dazu nötigte, eine weitere Tasse zu trinken.

Als am Abend die Edelweißalm schloss, spielten sich vor der letzten Abfahrt Szenen ab, die so aussahen, als ob Dick und Doof die Schlacht zwischen Nord- und Südstaatlern bei Gettysburg nachgestellt hätten. Doch ging es diesmal nicht um die Abschaffung der Sklaverei, sondern verletzungsfrei in die Ski zu kommen. Die AH übernahm die Rolle der unterlegenen Südstaatler. Und wie diese den Kampf um den Erhalt der Sklaverei verloren, ging die AH ihrer Würde verlustig. Eric wollte Jürgen G. beim Suchen seiner Ski unter die Arme greifen, bis ihm auffiel, dass er nicht wusste, wo sich seine befinden. Thomas G. reichte Kö die Hand, weil er ihm beim Aufstehen behilflich sein wollte, bis er merkte, dass er selbst auf dem Boden lag. Roll und Udo suchten verzweifelt ihre Snowboards und fanden sie nicht. Zu besoffen? Ach was! Die zwei schworen Stein und Bein, dass ihre Bretter gestohlen worden seien, schließlich hätten sie sie abgeschlossen. Jede Wette: die Dinger stehen immer noch vor der Edelweißalm. Admir baute einen Schneemann und schrie:“ Des isch dä Häfner!“ Rama fragte pausenlos, wo es zur nächsten Pizzeria geht. Bis auch er auf die Fresse flog. Es war ein letztes Aufbäumen im Angesicht Scheiterns. Nicht unbedingt heldenhaft, aber entschlossen und schließlich vergeblich. Des Nachts zurück im Schlafgemach kämpfte Udo noch immer mit Wirklichkeit oder Traum vom verlorenen Snowboard und hörte plötzlich gar Geräusche, die ihn fürchten ließen, dass nun auch noch Einbrecher in sein Schlafzimmer eindringen, um die Zahlenkombination vom Snowboardschloss zu stipitzen. Zum Glück verjagte sein Schnarchen die Übeltäter.

Sonntag: Nach einem Tag mit bestem Weiß und Gelb – Schnee und Sonne – trafen sich am späten Nachmittag alle Mann zum Aprés-Ski. Auf treibende Kraft von Pfiff, der mit seinem ganzen Körpergewicht alle vor sich hergetrieben hatte, ging es in die In-Aprés-Skibar ever, ever, ever – die Flubachalm. Pfiff wollte nageln, nageln, nageln und kniff dann doch, als er sah wie die Jürgens, Stephans, Klauses, Thomases, Thorstens und Jochens für ihn handwerklich zu geschickt mit Hammer und Nagel umgingen.

Auf der Flu war auch Roland ganz in seinem Element: „Jesus-Maria!“ Sein Blick peitschte durch die Alm und er tanzte auf dem schmalen Grad zwischen König-sein und Rauswurf. Der Schellenbaum oder wie unsere österreichischen Freunde sagen „die Teufelsgeige“, war sein Zepter mit dem er seine Untertanen befehligte und Lieder anstimmte. Alle gehorchten seinem Takt, selbst Pfiff. Auch Wirtin Nicki und der lässige László, ihr Mitarbeiter, konnten sich „Rolls“ Charisma nicht entziehen. Alle feierten mit.

Einige fanden dann spät des Abends noch den Weg zur Obertauerner Partymeile. Hier wurde es dramatisch: Wäre ein BILD-Leserreporter anwesend gewesen, hätte es dort tags darauf in großen Lettern „Handgemenge mit österreichischem Dieb“ geheißen. Ein Einheimischer versuchte die Jacke von Timo S. zu stehlen, machte aber die Rechnung ohne Wirt Thomas G. Man lasse sich nicht von seinem weichen Hessisch täuschen. Der Kerl hat Biss und entschied die Rauferei zu seinen Gunsten. Bei dem Handgemenge zerriss Oli´s Hemd. Und da stand er nun. Ein Jahrtausend, ein solcher Moment. Nackter Oberkörper, schwarze Brusthaare, entschlossener Blick. Alle starrten ihn an. Gedehnte Sekunden des Schweigens. Was dann folgte, kann sprachlich nicht mehr ausgedrückt werden. Es war ein Taumel zwischen Wohl und Wehe. Halb verzückt, halb erschrocken ließ Oli geschehen, was nicht mehr aufzuhalten war. Der Rest ist Schweigen.

Pfiff war nicht anwesend. Wo war er? Im Bettchen war er und furzte sich in den Schlaf. Wir leben in einem freien Land. Das ist gut so. Wer jedoch den Führungsanspruch in einer Mannschaft erhebt, muss auch außerhalb des Platzes überzeugen. Auf dem Spielfeld ein Silberrücken, aber um halb neun ins Bett? So wird das nichts Herr Pfeiffer.

Montags duftete es in und um Obertauern herum, war doch ein Mundgeruch nun verflogen, da ein ganz besonderer AH´ler mit den Workaholics Adi und Uwe frühzeitig heimgereist war. Sollte nun Langeweile eintreten? Pessimisten wurden schnell eines Besseren belehrt, denn nun schlug die Stunde unseres lieben Klaus R.: Er ist zwar der Älteste im AH-Bunde, doch im Geiste und in Gestalt einer der Jüngsten geblieben, der waaghalsig jedes noch so steile Gefälle in Angriff nimmt. So auch am späten Montagvormittag. Pechschwarz war die Piste und umso verwegener die Gedanken von Klaus, hier einen neuen Geschwindigkeitsrekord zu brechen. Obwohl sein unglücklicher Aufprall der schneeweißen Piste noch mehr Schmerzen zugefügt haben dürfte, musste der verwegene Klaus dann doch für den Rest der Skifreizeit passen. Was nun tun mit der freien Zeit? Kurzerhand erschloss sich der in Obertauern nicht erst seit diesem Tag als „Hermann Maier reloaded“ bezeichnende Klaus alte Bekannte wiederzutreffen und machte sich mit dem Arzttaxi auf zum großen Wiedersehen im Ärztehaus Obertauern und anschließend im Krankenhaus Radstadt. Ärzte und vor allem Krankenschwestern ließen ihren Freudentränen freien Lauf und füllten damit die Infusionen, die Klaus später wiedererstärken ließen.

In Gedanken stets beim Verunfallten, aber aufgrund der nur noch knapp bemessenen Restzeit dann doch wieder beim Feiern war der AH-Rest. Auf der Hochalm sollte irgendein Konzert stattfinden. Hackl überzeugte seine Mitstreiter vom Comeback der Beatles und reservierte ob seiner glänzenden Beziehungen die besten VIP-Plätze genau vor der Bühne. Die Pilzköpfe waren unpässlich, sodass ein gewisser Franky Leitner auftrat. Sei´s drum, auch der konnte singen, sodass auch hier wieder die Party abging.

Am späten Montagnachmittag trafen sich alle Attraktiven Herren wieder auf der Edelweissalm. Fast alle, denn Klaus R. ruhte sich derweil gut gewärmt in seinem Doppelbett für die tags darauf folgende Heimfahrt aus. Während dieser so von Bierbänken, Maschinen, Bars und Schneepisten träumte, die ihm in den letzten Jahren zu guten Freunden geworden waren, rief Pfiff auf der Edelweissalm wieder zum Vollgas auf. „Roll“ war dabei kaum zu bremsen, gönnte sich eine Magnum-Eisdusche und als Dieter Thomas Kuhn mit seiner blonden Haartolle die Edelweiss betrat, dachte man kurzzeitig tatsächlich: der „Roll“ hat ´nen Zwillingsbruder.

Den Weg ins Tal wiesen dieses Mal unser Skiprofi Andy und die flutlichtbeleuchtete Skipiste, die die verbliebenen Hartriegel noch in den Lürzer-Schirm führte. Während Jog und Pfiff mit bedauernswerten Fankollegen rot-weiße und blau-weiße Lieder anstimmten, kam es hier auch zur großen deutsch-österreichischen Versöhnung. Oli hatte den österreichischen Schlägertrupp vom Vorabend erspäht. Mit erhobenen Fäusten trat der AH-Hüne ihnen entgegen, doch als er die zitternden Austrianer genauer betrachtete, kam das Mitleid mit ihm durch und er stimmte lieber ein gemeinsames „I am from Austria“ an.

War´s das gewesen? Für den Steffen-P.-Tisch ja, denn der verließ nach diversen Pizzen die Lürzeralm und stampfte zurück ins Appartement. Nur die Härtesten der Härtesten blieben übrig: Vier ganz taffe Eschdringä Männer und ein Odemer rockten die Tanzfläche. Die Damen zerrten und zogen an ihnen, doch sie erwehrten sich tapfer allen Angriffen. Es war widerlich, abstoßend und pervers, aber irgendwie auch geil. Wäre Pfiff zu dieser Zeit nicht bereits im Bett gelegen, hätte es kein Halten mehr gegeben. Er wäre nach vorne gedrängt und hätte abwechselnd „Jawoll!", "'Dawedder!" und "Druff!" geschrien. Sein Gesicht wäre lila angelaufen, der Geifer wäre ihm aus seinem Mund geschossen. Schade dass wir das verpasst haben, aber auch so war´s aber auch so was von schee :)

Wir sehen, es war ein ganz normaler AH-Skiurlaub.

Dieses Mal mit dabei waren:
Bernd Barth, Uwe Becker, Roland Börzel, Stephan Deponte, Jürgen Göbel, Thomas Groos, Michael Häfner, Jürgen Halter, Udo Haucke, Thorsten Heger, Jochen Herrmann, Jürgen Keilbach, Klaus Koch, Marcus Kölmel, Oliver Noe, Steffen Pfeiffer, Klaus Rothermel, Thomas Schenk, Ramazan Senolan (VIELEN DANK FÜR DIE ORGA!), Timo Somnitz, Admir Spahic, Eric Wagner, Hakan Yigit, Andreas Zabler.

M.H./E.W.

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